Interview mit Hannelore Kohl 1986
... denn die im Dunkeln sieht man nicht
Schädel-Hirn-Traumen gehören zu jenem Verletzungstypus, der für den Betroffenen leicht zum sozialen, familiären oder beruflichen „Aus“ werden kann. Das Informationsdefizit in der Öffentlichkeit ist groß und meist wird pauschal eine Gleichstellung mit geistig Behinderten vorgenommen. Diese Diskriminierung abzubauen und den Teufelskreis der Isolierung zu durchbrechen ist eines der Hauptanliegen des Kuratoriums ZNS für Unfallverletzte mit Schäden des zentralen Nervensystems. Die Neue Ärztliche hatte Gelegenheit mit der Frau des Bundeskanzlers, der Gründerin und Präsidentin von ZNS, Hannelore Kohl, über diese 1983 gegründete Einrichtung zu sprechen.
DNÄ: Frau Kohl, Sie haben das Kuratorium ZNS ins Leben gerufen. Wie ist das Kuratorium strukturiert und wie soll es künftig gegliedert sein, wenn eine gewisse Ausbauphase erreicht ist?
Kohl: Ich habe das Kuratorium ZNS ins Leben gerufen, weil ich in den vergangenen 15 Jahren sehr viel von den Problemen hirnverletzter Menschen erfahren habe. Als mein Mann 1969 Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz wurde, übernahm ich bald darauf die Schirmherrschaft über die Neurologische Rehabilitationsklinik „Walter-Poppelreuter-Haus“ in Vallendar am Rhein. Die Gespräche mit Ärzten und Patienten haben mir gezeigt, wie notwendig es ist gerade für diese Menschen, die wegen ihrer Verletzung abseits stehen, etwas zu tun.
Das 1983 gegründete Kuratorium ZNS will die Rehabilitation dieser Menschen fördern. Ich habe zu diesem Zweck eine Reihe von Fachärzten, Rehabilitationsfachleuten und Vertretern von Behindertenverbänden gewonnen, die im Vorstand des Kuratoriums ZNS mitarbeiten. Dem Vorstand steht ein Beirat mit Rat und Tat zur Seite, dem Ärzte, Rehabilitationsfachleuchte, Verbandsvertreter und Vertreter von Organisationen, die mit Fragen der Rehabilitation befasst sind oder daran Interesse haben, angehören.
Ich sollte hinzufügen, dass die Mitglieder von Vorstand und Beirat ehrenamtlich tätig sind. Wir unterhalten in Bonn eine kleine Geschäftsstelle mit drei Mitarbeitern. Dies soll auch so bleiben.
DNÄ: Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Nachsorge von Hirnverletzten mit Dauerschäden zu fördern. Warum haben Sie Ihre Hilfe auf Unfallopfer beschränkt?
Kohl: Das Kuratorium ZNS unterstützt bestehende Rehabilitations-einrichtungen für Schädel- und Hirnverletzte materiell, betreibt eine Vermittlungsstelle für freie Plätze in derartigen Rehabilitationseinrich-tungen und versucht durch Information in der Öffentlichkeit Verständnis und Hilfsbereitschaft für hirnverletzte Unfallopfer zu wecken.
Unser Tun kommt sicherlich nicht nur hirnverletzten Unfallopfern zugute. Wenn wir beispielsweise einer Klinik ein Gerät zur Therapie zur Verfügung stellen, fragen wir nicht danach, ob es anschließend nur von Unfallopfern benutzt wird oder auch Schlaganfallpatienten zugute kommt.
Wir haben uns jedoch von unserer grundlegenden Zielsetzung her die Unfallopfer ausgewählt, weil der Unfall, vom Verkehrs- über Arbeits- und häuslichen Unfall bis zum Sportunfall, zu einer Art Pest unserer modernen Zeit geworden ist. Bedenken Sie, dass Unfälle mit Hirnverletzungen die Todesursache Nummer 1 bei den 15- bis 25-jährigen sind.
200.000 Menschen erleiden in jedem Jahr Schädelverletzungen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen führen. 10.000 bis 20.000 werden so schwer verletzt, dass eine anschließende Rehabilitation erforderlich ist. Diese Zahlen machen meines Erachtens deutlich, dass hier ein Problem liegt, dessen wir uns annehmen mussten. Hinzu kommt, dass ein Unfall jeden von uns jederzeit, sei es verschuldet, sei es unver-schuldet, ereilen kann.
Unsere amerikanische Schwesterorganisation spricht deshalb im Zusammenhang mit Schädelunfällen von der „stillen Epidemie“. Ich glaube, dies ist eine sehr plastische Beschreibung des Problems.
Die Möglichkeiten organisatorischer und finanzieller Art des Kuratoriums ZNS wären überfordert, wenn sich das Kuratorium ZNS auch um Personengruppen mit allen anderen Hirnschädigungen bemühen würde, zumal sich bereits andere bestehende Institutionen und Gesellschaften für diese Patienten einsetzen.
DNÄ: Zwischen hirnbeschädigt und hirngeschädigt nehmen Sie eine deutliche Trennung vor. Welche Patienten würden Sie als beschädigt, welche als geschädigt bezeichnen?
Kohl: Ich bin keine Ärztin. Ich möchte mich nicht auf fachliche Diskussionen und terminologische Streitigkeiten einlassen. Mit diesen beiden Begriffen soll der Unterschied zwischen hirngeschädigten Personen mit angeborenen oder durch Erkrankung entstandenen Hirnschädigungen und hirnbeschädigten Personen mit einer durch einen Unfall verursachten Hirnschädigung deutlich gemacht werden. In der Öffentlichkeit wird zu wenig zwischen beiden getrennt. Der Hirnbeschädigte wird einem geistig Behinderten gleichgestellt. Dies aber ist falsch.
Wer eine Hirnverletzung erleidet, behält das, was er über sein Leben erworben hat. Sein Wissen, seine Fähigkeiten sind noch vorhanden. Sie müssen nur durch die Rehabilitationsbehandlung wieder geweckt werden. Wenn man einen Menschen, der seine Fähigkeiten noch besitzt, diese durch die Hirnverletzung aber nicht mitteilen kann, jemanden gleichsetzt, dem von Geburt an das grausame Schicksal widerfahren ist, geistig behindert zu sein, so ist dies verletzend.
Dies der Öffentlichkeit klar zu machen – den allzu leicht entstehenden Teufelskreis der Isolierung zu durchbrechen, die Wiedereingliederung in Familie, Gesellschaft und Beruf zu erleichtern – ist eines der zentralen Anliegen unseres Kuratoriums ZNS.
DNÄ: Eine sprachliche Differenzierung zwischen hirnbeschädigt und hirngeschädigt ist, so zeigten demoskopische Untersuchungen, schwierig. Ist hier die Öffentlichkeit nicht überfordert? Wäre ein neuer Name für eine klare Abgrenzung nicht angezeigt? Oder wäre es nicht besser, gar nicht erst zwischen Behinderten mit angeborenem oder erworbenem Hirnschaden zu unterschieden? Beide brauchen eine Lobby.
Kohl: Um mit dem letzten Teil der Frage zu beginnen: beide haben eine Lobby. Die Hirnbeschädigten zum einen durch den Bund Deutscher Hirnbeschädigter (BDH), zum anderen seit 1983 durch unser Kuratorium ZNS.
Für die Behinderten mit angeborenen Hirnschäden gibt es seit Jahren die Lebenshilfe für geistig Behinderte. Auch für diese Personengruppe setzt sich der BDH ein. Wir wollen diesen Organisationen keine Konkurrenz machen. Die Probleme sind zu unterschiedlich, als dass man sie in einen Topf werfen könnte.
Ich meine nicht, dass bei dieser Unterscheidung die Öffentlichkeit überfordert ist. Wir haben es ja bei den spastisch Gelähmten erlebt, die vor wenigen Jahren noch als geistesgestört oder ähnliches abgestempelt wurden. Inzwischen ist der Öffentlichkeit klar, dass es sich um Menschen mit einem nervlichen Leiden handelt, deren geistige und intellektuelle Fähigkeit sich von denen des Normalbürgers überhaupt nicht unterscheiden.
DNÄ: Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigte, dass ein genetisch bedingter Hirnschaden vom sozialen Umfeld erheblich besser akzeptiert wird als eine erworbene Verletzung. Wie ist diese stärkere Ablehnung zu erklären?
Kohl: Hier kann man nur mutmaßen und es gibt wohl auch keine plausible Erklärung. Zu unterschiedlich ist das Erscheinungsbild von Hirnbeschä-digten. Vielen, die auch häufig voll im Berufsleben stehen, sieht man die Schädigung gar nicht an.
Ich könnte mir vorstellen, dass im Unterbewusstsein Angst eine erhebliche Rolle spielt. Vor einem Unfall ist niemand sicher. Jeden kann es treffen. Ausgelöst durch eine Hirnschädigung ergibt sich eventuell von heute auf morgen eine völlige Lebensumstellung, vor der sich jeder fürchtet, mit der sich alle erst vertraut machen müssen. Bei einer angeborenen Behinderung kann dagegen von einem längeren Gewöhnungsprozess ausgegangen werden.
DNÄ: Auch die Ablehnung durch Berufskollegen, ja selbst durch die eigenen Familienangehörigen ist oft nicht zu übersehen. Was haben Sie vor, um dauerbehinderte Unfallopfer wieder in Familie, Arbeitsleben und Umwelt zu integrieren?
Kohl: Die Integration von Unfallopfern in ihr gewohntes Umfeld, Familie, Kollegenkreis, Nachbarschaft, ist Aufgabe der Rehabilitation. Hier sind seit Jahren die Rehabilitationseinrichtungen darum bemüht, den Patienten auch über die Entlassung aus der Einrichtung hinaus zu helfen. Wir haben ja in der Bundesrepublik Deutschland eines der leistungsfähigsten Systeme für die Wiedereingliederung hirnverletzter Menschen in ein möglichst normales Leben.
Dies schließt aber nicht aus, dass man sich sicherlich weitere Modelle für eine Nachsorge nach der Entlassung aus der Klinik vorstellen kann. Das aber ist für uns derzeit noch Zukunftsmusik. Wir sollten zunächst die klinische Rehabilitation unterstützen und hier Lücken füllen helfen.
Neben der Unterstützung von bestehenden Rehabilitationseinrichtungen bei der Beschaffung von diagnostischem und therapeutischem Gerät wird von uns eine Vermittlungsstelle für Rehabilitationsplätze betrieben, um einen möglichst vorzugslosen Übergang von der Akutklinik in eine Rehabilitationsklinik zu gewährleisten. Die Vermittlungsstelle ist unter der Rufnummer 02 28 / 63 85 85 zu erreichen.
DNÄ: Die Meinungsforschung kam zu einer etwas überraschenden Feststellung: Hirnverletzte Unfallopfer scheinen in den Augen der Öffentlichkeit erheblich gefährlicher zu sein als Menschen mit angeborenen Hirnschäden. Worauf ist dieses Negativ-Image zurückzuführen?
Kohl: Ich bezweifle, dass hirnverletzte Unfallopfer in den Augen der Öffentlichkeit erheblich gefährlicher zu sein scheinen als Menschen mit angeborenem Hirnschaden.
Erklärbar ist dies aber: der Hirngeschädigte, mit einem angeborenen oder frühkindlich erworbenen Hirnschaden, hat keine oder kaum Erfahrungen vielfältiger menschlicher Verhaltens- und Reaktionsweisen und hat keine Vergleiche zu eigenen, früheren kognitiven und emotionalen Möglichkeiten. Er wächst sozusagen frustrations- und aggressionslos heran. Er kann zwar durchaus gereizt werden und gereizt reagieren, jedoch nicht anhaltend „bösartig“ reagieren. Ich möchte philosophisch sagen, er kennt das Böse nicht. Man kann keine Vorstellung von irgendetwas haben, was man niemals wahrgenommen hat, zu dem bei den frühkindlich oder von Geburt an Behinderten die Wahrnehmungsmöglichkeiten fehlten.
DNÄ: Jemand hat die Problematik der traumatischen Hirnverletzungen auf die Formel gebracht: Sie sehen zwar aus wie Verrückte, sind es aber nicht. Macht man es sich hier nicht zu einfach?
Kohl: Das ist sicherlich zu simpel formuliert und das Wort „verrückt“ sollte aus der Diskussion herausgelassen werden. Ein unfallbedingt Hirnver-letzter muss äußerlich überhaupt keine Hinweise auf seine Verletzung haben. Sichtbare Verletzungen sind nur dann der Fall, wenn es zu einer Deformierung des Gesichtsschädels oder zu Impressionen und Defor-mierungen der Schädelkalotte gekommen ist. Die Mehrzahl schwer Hirnverletzter hat nicht einmal äußere Verletzungszeichen. Es bleibt aber in der Tat das Phänomen, dass die Züge des Verletzten nach dem Unfall verändert sein können und erst über eine lange Rehabilitationsbehandlung wieder zum „Normalzustand“ zurückkehren.
Die moderne Rehabilitationsbehandlung der schwer Schädel-Hirnverletzten hat enorme Fortschritte gemacht. Diese Fortschritte will das Kuratorium ZNS steigern und vervollkommnen. Selbst die behandelnden Ärzte sind immer wieder erstaunt, wie sich Schwerstbeschädigte nach kurzer Zeit manchmal völlig anders, in jeder Weise positiv, präsentieren.
DNÄ: Hirnbeschädigte können in ihrer Motorik gestört sein, ohne dass also ihre intellektuellen Fähigkeiten gelitten haben. Sie reagieren und werten daher die Ablehnung durch ihr Umfeld. Sind damit diese Patienten nicht permanent psychisch überfordert?
Kohl: Hier sprechen Sie ein wesentliches Problem an. Das unverletzte Denkvermögen, die unverletzte Wahrnehmung, ermöglicht es vielen Hirnbeschädigten, ihre eigene Unzulänglichkeit, ihre Umwelt und damit auch mögliche Ablehnung sehr genau zu registrieren. Dies gehört sicher zu den grausamsten Folgen einer Hirnverletzung.
Die Rehabilitation weiß dies. Man versucht durch eine einfühlsame psychologische Behandlung während der Rehabilitation hierauf einzugehen. Dies ist zum Beispiel einer der Gründe, warum der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften in einem Forderungskatalog vor zehn Jahren als zentrale Forderung aufgenommen hat, dass Einrichtungen für Hirnverletzte über klinische Psychologen verfügen müssen.
Wir haben darauf bei der Einrichtung unserer Vermittlungsstelle für Rehabilitationsplätze der neurologischen Rehabilitation sehr genau geachtet. Der motorisch behinderte Mensch bedarf psychologischer Behandlung und Betreuung, um seine motorische Behinderung zu akzeptieren, zu lernen, mit ihr und trotz ihr zu leben.
DNÄ: Therapiezentren für hirnorganische Erkrankungen sind medizinische high-tech-Einrichtungen, die Hirnbeschädigungen nach modernsten medizinischen Erkenntnissen behandeln können. Gibt es ihrer Ansicht nach genügend Spezialkliniken, sodass Unfallopfer mit Hirntraumata optimal versorgt und rehabilitiert werden können.
Kohl: Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland 50 Kliniken mit denen wir im Rahmen unserer Vermittlungsstelle zusammenarbeiten. Wir müssen feststellen, dass sie einen hohen Auslastungsgrad haben.
Unsere Vermittlungsstelle läuft erst einige Monate. Wir haben bislang noch keinen Überblick darüber, welche Wartelisten bundesweit gesehen bestehen. Es gibt sicherlich hochspezialisierte und hochqualifizierte Kliniken mit langen Wartelisten, andere, weniger bekannte, bei denen die Aufnahme leichter ist. Hier Engpässe zu beseitigen ist ja gerade eine der Aufgaben, die sich unsere Vermittlungsstelle gestellt hat.
Ein bisschen wehren möchte ich mich im Übrigen gegen die Bezeichnung „high-tech-Einrichtungen“. Moderne Technik wird heute allzu leicht mit „Apparatemedizin“ statt menschlicher Medizin gleichgesetzt. Die moderne Technik gibt uns die Möglichkeit, die Arbeit des Diagnostikers und Therapeuten zu unterstützen und ihr dadurch zu größtmöglicher Wirkung zu verhelfen. Dies ändert nichts daran, dass letztlich die menschliche Zuwendung entscheidend für den Behandlungserfolg ist. Dessen ungeachtet wollten wir keine Möglichkeit auslassen, eine vernünftige apparative Unterstützung des Arztes optimal auszunutzen.
Einen Gesichtspunkt sollte ich hier noch ansprechen: Es gilt vor allem die Frührehabilitation Hirnverletzter zu unterstützen. Je eher ein verletztes Gehirn wieder gefordert wird, desto größer sind die Chancen einer vollständigen Wiederherstellung.
Die Frührehabilitation zu verbessern wird die wesentliche Aufgabe für alle an der Rehabilitation Beteiligten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein. Es gilt, den hohen Standard der Rehabilitationskliniken weiter zu verbessern, sodass Patienten möglichst sofort nach der Erstversorgung, also etwa nach Stabilisierung des Kreislaufes, Beseitigung der Lebensgefahr und so weiter, in Rehabilitationseinrichtungen kommen können.
DNÄ: Hirnverletzungen durch einen Verkehrsunfall sind doch im Grunde genommen eine „Möglichkeit für Jedermann“. Leistet Ihr Kuratorium eine Art Wiedergutmachung für das, was mit einem Mehr an Technik erkauft wurde?
Kohl: Der Verkehrsunfall ist die Spitze des Eisbergs. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass beispielsweise der Haushalt ein ungleich gefährlicherer Ort als die Straße ist, jedenfalls der Unfallhäufigkeit nach.
Die Technik, die Sie in Ihrer Frage ansprechen, hat meines Erachtens die Unfallzahlen eher heruntergedrückt. Tödliche Unfälle und Unfälle mit schweren Verletzungen sind zum Glück seit vielen Jahren rückfällig. Dank der modernen technischen Möglichkeiten, des hervorragenden Rettungs-systems und der klinischen Versorgung können heute mehr Menschen trotz schwerster Verletzungen überleben.
Wir wollen keine Wiedergutmachung leisten, sondern lediglich pragmatisch ein Problem angehen, das nun einmal da ist.
DNÄ: Gibt es Bestrebungen – etwa in der Art der ambulanten Koronargruppen – Unfallopfer über Volkshochschulen oder Sportvereine zu rehabilitieren und wieder in die Gesellschaft einzugliedern?
Kohl: Das Kuratorium ZNS versteht sich nicht als Selbsthilfeorganisation. Diese Aufgabe nimmt seit vielen Jahren und Jahrzehnten der Bund Deutscher Hirnbeschädigter wahr, der noch während des Ersten Weltkrieges von Kriegsversehrten gegründet wurde – dies in einer Zeit, in der man von Rehabilitation noch nichts wusste. Das, was wir heute an Rehabilitation haben, geht letztlich auf die Selbsthilfe-Initiativen zurück. Das Kuratorium ZNS will hier helfend eingreifen, aber keine konkurrierende Selbsthilfeorganisation aufbauen.
DNÄ: Hat ein Unfall zu einem ZNS-Trauma geführt, was empfiehlt Frau Hannelore Kohl dem Opfer, was seinen Angehörigen?
Kohl: Unser Kuratorium ZNS nennt sich auch „Initiative Lebensmut“. Der Betroffene und auch die Angehörigen können wesentlich durch aktive Unterstützung der Rehabilitationsmaßnahmen in der Klinik an der Heilung mitarbeiten. Durch Bekämpfen aufkommender Depressionen, durch menschliches Entgegenkommen und Behandlung als Normalmitglied der Familie und der Gesellschaft wird ein wesentlicher Beitrag zur Wiedereingliederung und erfolgreichen Rehabilitation geschaffen.
Dr. Rolf-Günther Sommer
Die Neue Ärztliche, Nr. 72, Freitag / Samstag, 18. / 19. April 1986